Nicht nur in der Menopause, sondern generell gilt: Über Sex und Intimät zu sprechen ist nicht immer leicht - sei es unter Freund:innen, mit dem oder der Partnerin oder auch im beruflichen Kontext. Diese Themen sind zwar sehr privat und individuell, nichtsdestotrotz betreffen sie alle Menschen und sollten besprochen werden. Denn die eigenen Bedürfnisse nicht äußern zu können oder sich nicht zu trauen, Fragen zu stellen kann schnell zu Unwohlsein oder anderen negativen Gefühlen führen.
Besonders die weibliche Sexualität ist in unserer Gesellschaft noch ein Tabu-Thema. Während das Thema Sex bei Jungen und Männern “cool” ist, können es Frauen kaum richtig machen: entweder sind sie zu offen und haben zu viel Sex oder sie sind zu schüchtern und gelten schnell als langweilig oder prüde. Dies ist ein strukturelles Problem, dessen Hauptursache wohl die patriarchale Gesellschaft ist, in der wir leben. Wenn du darüber mehr erfahren möchtest, haben wir hier ein paar Buchempfehlungen für dich:
- “Untenrum frei” von Margarete Stokowski
- “Das Ende der Ehe” von Emilia Roig und
- “Sie hat Bock” von Katja Lewina
Im Folgenden wollen wir jedoch über einen noch konkreteren Fall sprechen. Denn wenn wir den Faktor “Alter” hinzufügen, fällt schnell auf, dass besonders Frauen, die nicht mehr in ihren 20ern oder 30ern sind, in den Medien und der Gesellschaft oft nicht als sexuelle Wesen präsentiert werden. Das Thema Sex scheint für ältere Frauen noch mehr tabuisiert, als es sowieso schon ist. Es ist dementsprechend kein Wunder, dass es zu wenig Aufklärung und Informationen über Intimität und Sex in den Wechseljahren gibt. Das möchten wir ändern und erklären in diesem Artikel, welchen Einfluss die Wechseljahre auf die Libido und das Sexleben haben können.
Eine Achterbahnfahrt der Gefühle
Die Wechseljahre sind durch hormonelle Ungleichgewichte und letztlich einen Rückgang der Hormone Östrogen und Progesteron geprägt - dies hat Auswirkungen auf den Körper und die vaginale Gesundheit: die Schleimhäute werden trockener, die Vaginalwände dünner (auch vaginale Atrophie genannt) und gelegentliche Blasenschwäche macht sich bemerkbar.
Gleichzeitig verändert sich noch viel mehr im Körper: die gesamte Haut wird trockener, Hitzewallungen und Nachtschweiß rauben den Schlaf, plötzliche Gewichtszunahme oder Haarausfall nagen am Selbstbewusstsein und der Körper fühlt sich einfach ein bisschen anders an.
All diese Faktoren haben einen Einfluss auf die eigene Körperwahrnehmung, sie können verunsichern und viele Frauen fühlen sich weniger begehrenswert. Ganz konkret kann Scheidentrockenheit zusätzlich zu Schmerzen beim penetrativen Sex führen. Hinzu kommt das gesellschaftliche Stigma rund um Altern und Sexualität, dass das Problem weiter verstärkt, da es keine ausreichende Aufklärung und Raum für Austausch und Gespräche gibt. All diese physischen und psychischen Belastungen gehen an der Libido nicht spurlos vorüber.
Auch die Lebensphase, in der die meisten Frauen in die Wechseljahre kommen, darf nicht außer Acht gelassen werden. Es ist für viele eine Zeit, in der sie vor Herausforderungen wie der Pflege der Eltern oder Stress im Berufsleben stehen oder in der das Leben sich gerade grundlegend ändert, da alle Kinder aus dem Haus sind. Viele befinden sich außerdem in einer (jahrzehnte-)langen Beziehung mit einem Partner oder einer Partnerin, der oder die vielleicht selbst gesundheitliche Probleme hat: Männern erleben im Alter oft Erektionsprobleme, was sowohl den Sex als auch das Selbstwertgefühl beider Partner:innen beeinträchtigen kann. Insgesamt handelt es sich um ein komplexes Zusammenspiel aus körperlichen, psychischen und sozialen Faktoren, die die Libido beeinflussen.
Was könnte helfen?
Es ist wichtig, sich keinen Druck zu machen, auf die eigenen Bedürfnisse Acht zu geben und diese auch mit dem Partner oder der Partnerin zu besprechen. Denn Schwankungen der Libido sind in jeder Lebensphase normal und okay. Offene Diskussionen über veränderte Bedürfnisse und das Erforschen neuer Wege zur sexuellen Befriedigung können Beziehungen sogar stärken. Außerdem kann das Aufsuchen ärztlichen Rates für Symptome wie vaginale Trockenheit zu effektiven Behandlungen führen.
Neben den ganzen Belastungen bringen die Wechseljahre und die Zeit danach auch Positives mit sich: die Hormone sind stabil, es gibt keine monatlichen Blutungen und somit auch keine Sorgen um ungewollte Schwangerschaften mehr. Insgesamt sorgt die Menopause neben unangenehmen Nebenwirkungen dazu, dass sich das Leben besser planen lässt und aus diesem Blickwinkel können die Wechseljahre trotz aller Herausforderungen vielleicht als etwas Positives gesehen werden.
Vier Tipps für mehr Lust in den Wechseljahren
Es wird deutlich, dass aufgrund verschiedener körperlicher und psychischer Faktoren Intimität und Sexualität für viele Frauen in den Wechseljahren zu kurz kommen können. Deshalb haben wir ein paar Dinge gesammelt, die dir vielleicht dabei helfen, das zu ändern.
Offene Kommunikation:
Sprich mit deinem Partner / deiner Partnerin oder deinen Freund:innen über deine Gefühle und Bedürfnisse. In den Wechseljahren durchlebt dein Körper so viele Veränderungen - es ist einfach logisch, dass dies einen Einfluss auf dein Körpergefühl und deine Lust haben kann. Vielleicht könnt ihr diese Veränderungen als Anlass nehmen, deine Intimität neu auszurichten oder neue Dinge auszuprobieren.
Mehr Feuchtigkeit:
Die hormonellen Umstellungen in den Wechseljahren führen bei vielen Frauen zu Intimtrockenheit. Um Unwohlsein oder sogar Schmerzen beim Sex zu vermeiden, kannst du deinem Intimbereich täglich mit den richtigen Pflegeprodukten mehr Feuchtigkeit spenden oder beim Sex ein hochqualitatives Gleitgel verwenden. Denn ganz wichtig: auch in den Wechseljahren sind Schmerzen beim Sex nicht normal und nichts was frau in irgendeiner Form aushalten muss.
Übung macht die Meisterin:
Wie alle anderen Muskeln kannst du auch deinen Intimbereich trainieren, um fit zu bleiben. Ob mit oder ohne Partner:in, nimm dir Zeit für dich selbst und deine Intimität und gönn dir, was dir gut tut - und wenn du noch nicht weißt, was das sein könnte, nimm dir doch die Zeit, um das herauszufinden.
Professionelle Beratung:
Wenn dir deine ausbleibende Lust zur Last wird, zögere nicht mit deinem Frauenarzt oder deiner Frauenärztin zu sprechen. So könnt ihr klären, wo die genauen Ursachen liegen und passende Behandlungsmöglichkeiten finden, damit es dir bald besser geht.
Fazit
Es ist völlig normal, sich komisch oder unwohl zu fühlen, wenn die Hormone verrückt spielen und der Körper sich aus dem Nichts beginnt zu verändern. Wenn möglich, solltest du versuchen, darüber zu sprechen, dich zu informieren und dir bewusst zu machen, dass dies ein natürlicher Vorgang ist, der dich nicht weniger begehrenswert macht. Bei körperlichen Beschwerden, wie Intimtrockenheit, gibt es Mittel und Wege, diese zu verbessern und wenn dies auf eigene Faust nicht klappt, ergibt es Sinn, dich von einem Arzt oder einer Ärztin beraten zu lassen. Versuche auf deinen Körper zu hören, nimm dir Zeit für dich selbst und lass dir von niemandem Druck machen - vor allem nicht von dir selbst.
PS: Wir haben einen ganzen Ratgeber zum Thema Sexualität und Intimität in den Wechseljahren geschrieben. Wenn du noch mehr erfahren willst, kannst du ihn dir hier kostenlos herunterladen: https://drvivienkarl.com/pages/ratgeber-sexualitaet-in-den-wechseljahren