Für die Behandlung von Depressionen sind viele Menschen auf Antidepressiva angewiesen. Doch die Medikamente können sich auch auf die intime Gesundheit und Lust auswirken. Alles, was du darüber wissen musst, liest du hier.
In den letzten Jahren haben immer mehr Menschen das Schweigen über psychische Erkrankungen wie Depressionen gebrochen und von ihren persönlichen Erfahrungen berichtet. Dadurch ist psychische Gesundheit als Thema mehr in die Mitte der Gesellschaft gerückt. Endlich!
Depressionen können Frauen in jedem Alter betreffen, doch in den Wechseljahren steigt das Risiko. Zwischen 18 und 41 Prozent der Frauen sind in der Perimenopause von Depressionen betroffen. Für die Behandlung sind viele Menschen auf Antidepressiva angewiesen.
Doch die Medikamente können sich auf die intime Gesundheit und Libido auswirken und zu zusätzlichen Belastungen führen. Woran das liegt, welche Form von Antidepressiva die sexuelle und vaginale Gesundheit besonders beeinflussen und was du als Betroffene dagegen tun kannst, haben wir dir ausführlich zusammengefasst.
WIE WIRKEN SICH ANTIDEPRESSIVA AUF DIE SEXUALITÄT AUS?
Antidepressiva können helfen, die Symptome von Depressionen zu lindern. Aber die Medikamente können als Nebenwirkung auch die sexuelle Funktion und vaginale Gesundheit beeinflussen. Etwas mehr als die Hälfte der Menschen mit schweren Depressionen, die Antidepressiva einnehmen, leiden unter sexuellen Funktionsstörungen.
Das liegt an der Art und Weise, wie die meisten Antidepressiva wirken: Denn sie blockieren die Serotonintransporter und erhöhen dadurch die Konzentration von Serotonin in der Gewebsflüssigkeit des Gehirns. Forschende gehen davon aus, dass der erhöhte Serotoninspiegel die Lust und Erregung beeinträchtigt, weil er Dopamin und Noradrenalin hemmt. Die beiden Neurotransmitter spielen eine wichtige Rolle bei der Lust- und Erregungsphase. Außerdem verringern bestimmte Antidepressiva (SSRI) den Stickstoffmonoxidspiegel im Blut, der unter anderem die Blutgefäße weitet und dazu beiträgt, dass der Intimbereich erregt wird.
Die Folge: Frauen leiden unter vaginaler Trockenheit, haben eine geringe Libido oder Schwierigkeiten bei der Erregung. Aber auch Orgasmen können schwierig zu erreichen sein. Übrigens wirken sich Antidepressiva nicht nur auf die intime Gesundheit und Funktion von Frauen aus, sondern auch auf die von Männern. Sie können unter Errektionsstörungen leiden und Probleme bei der Ejakulation bekommen. Frauen sind im Allgemeinen jedoch häufiger von Depressionen betroffen als Männer und haben mit den Wechseljahren ein noch höheres Risiko für psychische Erkrankungen.
WELCHE ANTIDEPRESSIVA WIRKEN SICH AUF DIE SEXUALITÄT UND INTIMGESUNDHEIT AUS?
Viele Menschen, die Antidepressiva nehmen, erleben sexuelle Funktionsstörungen. Es ist jedoch wichtig zu wissen, dass nicht alle Antidepressiva die sexuelle Funktion in gleichem Maße beeinträchtigen und die Schwere der Störungen von der Dosierung abhängen kann. Mehrere Studien stellten fest, dass sexuelle Probleme bei bestimmte Gruppen von Antidepressiva besonders häufig vorkommen. Dazu zählen Selektive Serotonin-Wiederaufnahme-Hemmer (SSRI) und Serotonin-Noradrenalin-Wiederaufnahme-Hemmern (SNRI).
SSRI und SNRI
Die Studien sind sich zwar einig, dass SSRI und SNRI zu unerwünschten Nebenwirkungen wie Vaginaltrockenheit und einer verminderten sexuellen Funktion führen können, doch sie kommen zu unterschiedlichen Ergebnissen, was die Häufigkeit der Beschwerden betrifft.
In einer Studie berichteten etwa ein Drittel der Frauen von den Nebenwirkungen. In einer anderen Studie klagten fast 60 Prozent der Teilnehmenden nach der Einnahme von SSRI über sexuelle Funktionsstörungen. Auch eine strukturierte Telefonumfrage, bei der mehr als 400 Patientinnen und Patienten, die drei Monate lang mit SSRI behandelt wurden und im Anschluss zu Nebenwirkungen befragt wurde, gaben 17 Prozent sexuelle Funktionsstörungen an.
Eine zusätzliche Belastung
Eine behandlungsbedingte sexuelle Funktionsstörung kann für Patienten mit Depressionen eine zusätzliche Belastung darstellen. Bleibt sie unentdeckt, kann sie die depressive Erkrankung verlängern oder verschlimmern. Denn Forschende vermuten einen Zusammenhang zwischen Depressionen und der sexuellen Gesundheit. So könne der eine Bereich den anderen beeinflussen und verschlechtern oder verbessern.
Fest steht, dass sich die Nebenwirkungen auf die Lebensqualität, Beziehungen und das Selbstwertgefühl auswirken und die Genesung herauszögern können. Sexuelle Funktionsstörungen sind sogar der häufigste Grund, warum die Einnahme von Antidepressiva vorzeitig beendet wird.
Denn eine uneingeschränkte sexuelle Funktion ist für die meisten Menschen mit Depressionen, die eine Antidepressiva-Therapie erhalten, wichtig. Das zeigte einer Studie mit mehr als 6000 Patientinnen und Patienten. Dabei stuften 85 Prozent die sexuelle Funktion als wichtig ein, während nur 3 Prozent sie als nicht wichtig erachteten.
Antidepressiva in der Perimenopause
Übrigens haben Forschende auch versucht herauszufinden, ob Antidepressiva in der Perimenopause zu stärkeren Beschwerden im Intimbereich und der Sexualität führen. Doch bisher gibt es noch keine ausreichenden Ergebnisse. Denn viele Frauen leiden während der Perimenopause auch bereits vor der Einnahme von Antidepressiva unter vaginaler Trockenheit und Problemen bei der Erregung und Orgasmen, sodass es eine Herausforderung ist, den Ursprung der Beschwerden klar zu definieren und abzugrenzen. Wir hoffen, dass es dazu bald noch mehr Forschung gibt und halten dich auf dem Laufenden.
WAS DU BEI SEXUELLEN PROBLEMEN WÄHREND DER EINNAHME VON ANTIDEPRESSIVA TUN KANNST
Je nach Ausprägung deiner Beschwerden solltest du mit deinem Arzt oder deiner Ärztin offen über die sexuellen Probleme sprechen. Nicht alles medizinische Personal ist für diese Form der Nebenwirkungen ausreichend sensibilisiert (das wird auch in Studien immer wieder kritisiert), doch im Gespräch lassen sich eventuell andere Präparate für dich finden, die nicht im Zusammenhang mit starken sexuellen Nebenwirkungen stehen.
Feuchtigkeitscreme für den Intimbereich
Ist deine sexuelle Funktion nicht eingeschränkt, aber du leidest an Intimtrockenheit, kannst du versuchen, die Beschwerden mit einer intensiven Feuchtigkeitscreme für den Intimbereich zu lindern. In vielen Fällen lassen sich die Beschwerden so bereits verbessern. Doch halten die Beschwerden an, solltest du dich auch in diesem Fall ärztlich beraten lassen und auf den möglichen Zusammenhang von Antidepressive und Intimtrockenheit hinweisen.
Mentale Gesundheit, Intimgesundheit und sexuelle Zufriedenheit müssen sich nicht ausschließen – weder in den Wechseljahren noch davor.
Quellen:
- Menopause Induced Depression, Anxiety, Quality of Life, Lack of Sleep in Women: An Overview https://jddtonline.info/index.php/jddt/article/view/5169
- Sexual Dysfunction, Depression, and the Impact of Antidepressants https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/19512977/
- Antidepressant-associated sexual dysfunction: impact, effects, and treatment https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pmc/articles/PMC3108697
- Use of antidepressants during perimenopause https://journals.sagepub.com/doi/pdf/10.2217/17455057.2.4.627
- Why is depression more prevalent in women?
https://www.jpn.ca/content/jpn/40/4/219.full.pdf